Ein Ort, viele Geschichten

Eine Gruppe junger Journalisten besucht den Chemin des Dames, um für Video- und Textreportagen über den Ersten Weltkrieg und seine Folgen zu recherchieren. Ein Blick hinter die Kulissen.

Schreibend, filmend, fotografierend: Das Jounalistenteam mit Noël Genteur am Chemin des Dames. © Gilberto Güiza

Schreibend, filmend, fotografierend: Das Jounalistenteam am Chemin des Dames. © Gilberto Güiza

„Das“, sagt der Bauer und zeigt auf seinen Feldweg, „sind alles Bombensplitter.“ Die dunklen Metallstücke stechen deutlich aus dem hellen Kies hervor. Ich hebe einen auf. „Vielleicht wurde jemand davon getötet“, flüstert Gilberto aus Kolumbien mir zu. „Ja“, sage ich und wiege das schwere, rostige Stück in meiner Hand. „Vielleicht.“

Ausflüge wie dieser gehören zu einem ganz normalen Tag auf dem Journalistenseminar „Sur les pas d’Albert Londres“ in Nordfrankreich. Wir, 19 Studenten und sechs Betreuer, sind heute in drei Gruppen aufgeteilt. An verschiedenen Orten sprechen wir mit Interviewpartnern über Themen rund um den Ersten Weltkrieg. Meine Gruppe nimmt den Chemin des Dames unter die Lupe, einst ein heftig umkämpfter Frontabschnitt: 120.000 Soldaten starben entlang der 30 Kilometer.

Jeder im Team hat seine Aufgabe

Unser Interviewpartner ist Noël Genteur, dessen Familie schon seit Generationen die Felder rund um den Chemin des Dames bewirtschaftet. Wir starten in seinem Heimatdorf Craonne. Neugierig beobachten zwei zerzauste Katzen, wie Alice ihre Filmkamera aufbaut und Joan den Ton prüft. Maxime, wie Alice und Joan aus Frankreich, läuft mit einer anderen Kamera um uns herum und filmt für die Dokumentation, die als Zusammenfassung des Seminars erstellt werden soll. Gilberto fotografiert, Suzon ist die Videoreporterin des Tages und die Belgierin Hélène vertritt mit den Deutschen Assata, Jana und mir die Textredaktion. Im Vorfeld haben wir uns verschiedene Schwerpunkte ausgesucht. Kann es jetzt losgehen? Ja: „Ça roule!“ – die Kamera läuft.

Noël Genteur findet auf seinen Äckern immer noch Überreste des Ersten Weltkriegs. © Barbara Hiller

Noël Genteur findet auf seinen Äckern immer noch Überreste des Ersten Weltkriegs. © Barbara Hiller

„Sur les pas d’Albert Londres“ ist ein französischer Verein, der sich im Namen des berühmten französischen Reporters das Ziel gesetzt hat, junge Journalisten zu fördern und grenzübergreifend untereinander zu vernetzen. Einmal im Jahr wird dafür ein 17-tägiges Journalismusseminar organisiert, gefördert von verschiedenen europäischen Stiftungen. Letztes Jahr ging es thematisch um die Tour de France, nun ist es der Erste Weltkrieg – über beides hat der namengebende Reporter auch selbst berichtet.

Reportagen brauchen Inhalte – und Illustrationen

Noël Genteur führt uns durch sein Gelände, die Informationen sprudeln nur so aus ihm heraus. Er demonstriert, wie sein Großvater nach dem Krieg pro Tag nur wenige Meter mit seinem Pflug vorankam, bevor dieser wieder in einem Wust aus Stacheldraht steckenblieb. Als Noël Genteur so hin- und herläuft und das Pflügen, Schaufeln, Drahtaufräumen demonstriert, steigt unsere Bewunderung für seine Familie, die unter so großen Anstrengungen ihr Ackerland wiederhergestellt hat.

Wir überqueren die hügelige Strecke zwischen den früheren Frontlinien, das sogenannte „No man’s land“ – Niemandsland. Es nieselt, das bedrückende Wetter passt zu unserem Thema. Alice kniet sich auf den schlammigen Boden. Sie filmt unsere Füße, als wir durch den nassen Acker stapfen. Um eine Geschichte visuell zu illustrieren, sind Unmengen solcher Bilder nötig, wie ich inzwischen von meiner eigenen Videoreportage gelernt habe.

Maxime aus Frankreich filmt für die Dokumentation des Journalistenseminars. © Barbara Hiller

Maxime aus Frankreich filmt für die Dokumentation des Journalistenseminars. © Barbara Hiller

Auch für das leibliche Wohl wird gesorgt

Am späten Nachmittag verabschieden wir uns von Noël Genteur, die Speicherkarten sind voll, die Mägen leer. Beim gemeinsamen, sehr späten Mittagessen diskutieren wir unsere Eindrücke. Die Artikelideen werden klarer, das Filmteam sortiert in seinem Kopf schon die Bilder. Zum Arbeiten bleibt heute allerdings nicht mehr viel Zeit – wenn wir zurückkommen, steht bereits das Abendessen an, mit Brot, Wein, „Plat du Jour“ und, wir sind schließlich in Frankreich, einem süßen Dessert. So kommt auch die kulturelle Dimension beim Seminar nicht zu kurz.

Barbara Hiller

Adaptation française d’un extrait de l’ article

Un lieu chargé d’histoire

« Ce que vous voyez-là, ce sont des éclats de bombes », explique Noël Genteur, agriculteur bio et ancien maire de Craonne, tout en désignant les fragments de métal qui jonchent le chemin sur lequel nous marchons. J’en soulève un. « Peut-être que cet éclat est responsable de la mort de quelqu un », chuchote songeur Gilberto, un jeune photographe d’origine colombienne à côtés de moi. Je soupèse le morceau de métal rouillé. Il est dense et incroyablement lourd. « Oui, peut-être ».

Des découvertes comme celles-là sont le quotidien des apprentis-journalistes de l’association Sur les pas d’Albert Londres. Cette association a pour objectif d’emmener des étudiants français, allemands et belges sur les lieux où le célèbre reporter français s’est distingué. Pendant 15 jours, ils réalisent des reportages écrits et audiovisuels. En cette année de commémoration du centenaire de la Grande Guerre, leur itinérance les a menés d’Ypres (Belgique) à Strasbourg, avec un passage obligé sur le chemin des Dames. Terrible lieu de carnage où sont décédés 120.000 soldats. C’est ici que la famille de Noël Genteur travaille la terre depuis trois générations.

Pendant que l’on prépare le matériel pour le tournage, deux chats ébouriffés et curieux observent comment Alice règle sa caméra. A ses côtés, Joan teste le son. La presse écrite affute ses stylos. « Peut-on démarrer ? » « Oui, ça roule ! La camera tourne. »

De retour dans notre rédaction improvisée et itinérante, certains relisent leurs notes, d’autres « dérushent » sons et images. Emu et touché par le travail de mémoire de Noël Genteur, notre groupe est heureux de contribuer, à sa manière, à cette transmission indispensable. Notre travail journalistique est visible sur le site www.sur-les-pas-d-albert-londres.fr.

Marie Bourguignon